​Als am Mittwoch der vergangenen Woche kurz vor 22.00 Uhr die Blitze eines Feuerwerks am Himmel über dem Süden der Landeshauptstadt zuckten, hatte die Emotion beim Verabschiedungsfest für das Stadion den Höhepunkt erreicht. Die Lichteffekte, an dem zumal vom Vollmond beglänzten Ort, ritzten eine wichtige Botschaft in das Bewusstsein aller Anwesenden: "So wie wir heute hier zusammenstehen, können wir gemeinsam etwas Großes schaffen"!

Bis zu diesem Moment war die kollektive Gemütslage eindrucksvoll hochgezwirbelt worden. Die Fans, die Ultras insbesondere, hatten sich choreographisch selbst überboten. Die "Uefa-Cup- Wiederholung", der Aufmarsch einstiger Helden des Vereins und der elegische Abgesang des "Time to say goodby" durch die charmante Chanteuse Jana Sammer war ebenso zu Herzen gegangen. "RWE" schallte es dazwischen immer wieder lautstark im Wechselgesang durchs Stadion und Erfurt bewies: Es kann auch (Gefühls-)Rausch!

Als die Leuchtschrift: "Für immer Steigerwaldstadion" schließlich verlosch, hatten die Besucher am Schauplatz ihrer jahrelangen Umtriebe, wo sie ungezählte Leiden und tiefe Wonnen durchlebt haben, den feierlichen Andachtsmoment tief durchkostet. Dies alles in einem Oval, das inzwischen mehr wie das Areal einer historischen Ausgrabung anmutet, durch lange Zeiten und viele Wechsel des Lebens zahlreichen Menschen aber irgendwie immer eine Art Heimat war. Aber genau deshalb ist es nur zu verständlich, dass in der verdichteten Atmosphäre des Abends erheblich geschwermütelt wurde.

Stückweise wird an diesem Platz nun bald schon eine neue Wirklichkeit vor die Sinne treten. So hochemotional und sogar tränenreich der Abschied von diesem architektonischen Fossil auch ausfiel, demnächst wird die 83-jährige Anlage vor den Baggern fallen, wie ehedem die Mauern von Jericho vor dem Schall der Hörner israelitischer Priester. Der melancholisch verwehte Ort, an dem die Indizien der materiellen Ermüdung seit langem und an allen Ecken offenkundig sind, hat im Augenblick seines symbolischen Todes aber allen Besuchern noch einen letzten wichtigen Dienst erwiesen. Die Gelegenheit nämlich, sich im Moment der Trauer neu einzuschwingen und aus der bemoosten Vergangenheit des Vergehenden, Kraft und Zuversicht für das Kommende zu schöpfen.

Dieser Abend kann ein langes Leben haben. Auch weil Gegenwart und Vergangenheit des Vereins, zuletzt oft etwas debalanciert wirkend, wieder zueinander fanden. Die Rot-Weiße Gemeinde scheint nun bereit, gemeinsam in die Zukunft zu blicken. In die Zukunft von gestern womöglich. Gerne in die der 50er Jahre. Der Ära des am Dienstag verstorbenen Helmut Nordhaus und seiner Kameraden, zu denen an diesem denkwürdigen Abend auch der von weit her angereiste und tief gerührte Karl-Heinz Löffler gehörte. Oder in die der Jahre 1991 oder 2004, als der diesen Ort umspannende Geist, wenn auch nur kurzzeitig, die damaligen Mannschaften zu besonderen Leistungen befähigte.

Die zuletzt bereits etwas verdünnt erscheinende Idee den abermaligen Aufbruch zu den Ufern der 2. Liga zu wagen, hier und da sogar schon als eine stornierte Utopie belächelt, hat jedenfalls spürbar neue Energie erhalten. Das Ziel der Träume erscheint selbst Zweiflern wieder anschlussfähig. Zumal unsere Mannschaft derzeit fleißig punktet. Nun stellt sich die Frage: Können wir die Schwingung dieses Abends bewahren? Können wir jene, die noch abseits stehen ebenfalls begeistern? Und nicht zuletzt: Wie ausgeprägt ist zugleich unser aller Fähigkeit, künftig auch trübe Momente auszuhalten?

Ich denke, wir haben inzwischen eine Mannschaft, die vom spielerischen Potenzial und ihrer charakterlichen Zusammensetzung zu den besseren Teams der Liga zählt. Schon am morgigen Samstag, im Duell mit dem CFC, will sie das gerne wieder beweisen. Dann sind aber alle wieder gefragt. Zuschauer und Mannschaft. Deshalb meine Bitte: Let `s light our fire again! Kommen Sie in großer Zahl ins Stadion und tragen Sie das Team auf einer nicht weniger begeisternden Woge wie am Mittwochabend der vergangenen Woche. Das sind wir schon Helmut Nordhaus schuldig, der die Klänge des "Time to say goodby" in seinem Pflegezimmer unweit des Stadions noch vernommen haben wird, um nur wenige Tage danach, quasi gemeinsam mit seinem einstigen "Wohnzimmer", von uns zu gehen.

Herzlichst
Ihr
Wilfried Mohren

17.10.2014 \ Mohrens Einwurf