​Das wichtigste Spiel der ersten Jahreshälfte fand für den FC Rot-Weiß Erfurt am Ende doch nicht auf dem Rasen statt. Es wurde auch nicht im Fernsehen übertragen und dauerte wesentlich länger als 90 Minuten.

Es hatte sich in zahlreichen Gesprächsrunden zugetragen und war ein besonders nervenaufreibendes Relegationsspiel. Gestern Nachmittag wurde diese Partie in der DFB-Zentrale abgepfiffen. Der Verein und seine Fans können aufatmen. Denn Rolf Rombach hat kurz vor Ende der Nachspielzeit, quasi in "Elton-da-Costa-Manier", den für uns saison-entscheidenden Treffer erzielt und die von Auflagen und Bedingungen bedrängte Lizenz gerettet. Der Brasilianer da Costa hatte bekanntlich den Darmstädter Lilien auch erst Sekunden vor Abpfiff der Verlängerung das freilich sportliche "Wunder von Bielefeld" beschert.

Der Präsident tat dies - einmal mehr - mit hohem Einsatz und ohne viele Worte darüber zu verlieren, obwohl er durch zahlreiche andere Aufgaben zeitgleich über die Maßen beansprucht war.

Ein wenig von seiner Leidenschaft hätte man sich in den Monaten davor auch von unserer Profimannschaft gewünscht. Die jedoch bot nach einem wirklich guten Saisonstart leider nur eine insgesamt wenig beglückende Rückrunde. So entlud sich am Abend des 14. Mai wohl nicht nur der Frust über die Pokalniederlage in den Kernbergen, wo wir durch allzu große Hasenherzigkeit nahezu alle Schiffbrüche des Dilettantismus erlitten, sondern auch vieles von dem, was das Gesamtbild der Wochen zuvor geprägt hatte. Wäre nicht Carsten Kammlott im Januar heimgekehrt, der sportliche Ligaerhalt hätte noch zu einer echten Zitterpartie werden können. Seine Tore auf dem Spielfeld und Rolf Rombachs Einsatz am Verhandlungstisch erlauben uns nun im Juli wieder an den Start zu gehen.

Eine Aufarbeitung der Saison ist neben den Planungen für die Zukunft deshalb notwendig. Sie ist bereits in vollem Gange und geschieht unter allen denkbaren Aspekten. Denn nicht nur die Lizenz, sondern auch der Glaube an die sportliche "Mission 2016" war - jedenfalls da und dort - zuletzt etwas ins Wanken geraten. Dies umso mehr, als auch die A-Junioren sich erst auf den letzten Drücker vor dem Abstieg aus der Bundesliga retteten und die U23 diesen Befreiungsschlag in der Oberliga am Wochenende, am letzten Spieltag, ausgerechnet bei Jenas Zweitvertretung, noch vor sich hat.

Wir sind es uns selbst und allen Freunden des Klubs schuldig, den Korrekturbedarf daher besonders sorgfältig auszuleuchten. Zumal jenen Personen gegenüber, die ein finanzielles Investment in unsere zieldefinierte Neuausrichtung vorgenommen haben oder noch vornehmen wollen. Niemand soll später unwidersprochen sagen können, die "Mission 2016" sei potemkinschem Einfaltsreichtum entsprungen und die Suggestion sei stärker als das Programm gewesen. Wir werden deshalb an einigen Stellen die "Reset-Taste" drücken und vieles versuchen zu verbessern.

Trotz aller Bemühung wird es dabei aber auch künftig Rückschläge geben. Das liegt in der Natur der Sache. Fußball, dieser einfach erscheinende Sport, ist nämlich in Wahrheit eine komplizierte Materie. Hier wirken Einflüsse, die sich selten alle vorausberechnen und sich noch schwerer lenken oder gar immer anschaulich erklären lassen. Das, was man in bester Absicht vor hat, in sichtbaren Erfolg zu verwandeln, ist und bleibt eine hohe Kunst. Sie erfordert, zumal unter Erfurter Verhältnissen, Geduld. Eine Tugend, die gesellschaftlich nicht sehr ausgeprägt ist und im Fußball schon gleich gar nicht. Und doch ist es wichtig sich darin zu üben. Gerade bei unserem Projekt, bei dem wir seit letztem Sommer in einer Art "Vorläufigkeit" leben. Die zurückliegende Saison kann nicht losgelöst von den folgenden Spielzeiten betrachtet werden. Das Vorhaben umfasst ja quasi drei "verklammerte" Jahre.

Vor ein paar Monaten kam ein nettes Buch auf den Markt, das unter dem Titel "The numbers game" anschaulich von den Mühen um Erfolg im Fußball erzählt. Darin wird u. a. erklärt, was schon ein sehr bekannter Trainer lange vor dem Erscheinen dieser Abhandlung in aller Kürze so formuliert hat: "Um in diesem Sport erfolgreich zu sein, reicht es im Grunde aus, sich nur zu 30 % mit Fußball aber zu 70 % mit den Umständen zu beschäftigen, unter denen man sich zur Realisierung eines gemeinsamen Ziels entschlossen hat". Da steckt viel Wahres drin.

Die "Umstände" betreffen vor allem die soziologische Struktur eines Vereins und seines Umfeldes. Ein identitätsstiftender Gemeinschaftssinn gehört essentiell dazu. An ihm kann sich der visionäre Funke einer Idee entzünden und zu einer lodernden Flamme, oder aber, wo "Wind" die ungeschützte Flamme bedroht, von diesem wieder ausgeblasen werden. Und dieser "Wind" kommt, wie wir alle wissen, im Fußball immer und von allen Seiten. Umso mehr gilt es die Flamme davor zu schützen. Von außen wird eine Idee dabei vor allem durch Leute gefährdet, die sich mit den Fähigkeiten der Kassandra beschenkt glauben. Ihr oftmals negatives Unken hat aber meist - und schon mangels umfassender Sachkenntnis - mit vorgeblicher Hellseherei ("Hab ich doch immer schon gesagt....") wenig zu tun, sondern entspringt in der Regel der Veranlagung zum Skeptizismus.

Der aber verfängt bei den Menschen leider schneller als eine wohlwollende Meinung, weshalb daraus nicht selten eine Bremse für jede gut gemeinte Tat wird. Das Gezwitscher ist uns allen bestens bekannt und kam letztens noch als ein besonders bemerkenswerter Leserbrief daher. Da wurde allen Ernstes die zweifellos desaströse Pokalniederlage in Jena in Relation zur vorgeblichen "Unsinnigkeit" der x-fach diskutierten und längst auf den Weg gebrachten Arena gestellt. Anhand eines einzigen Spielergebnisses wurde in diesen Zeilen vieles in Bausch und Bogen verrissen. Der Verfasser ist gewiss niemand, dem das Lukasevangelium ("Fürchte dich nicht, glaube nur", Kap. 8, Vers 50) eine große Stütze im Leben ist. Es ließen sich weitere Beispiele aus anderen Quellen anführen, die einen Verein, aber auch seine Protagonisten, noch direkter treffen (sollen). Ob letztere nun ihren Dienst in kurzen oder in langen Hosen verrichten. Förderlich ist das nicht.

Zugegeben: Es passieren in der Tat immer wieder Fehler. Auch bei Rot-Weiß Erfurt. Auf dem Feld und außerhalb. Weshalb die Flamme unserer Vision gelegentlich durchaus auch im Inneren manchem Windstoß ausgesetzt ist. Das entspringt aber keiner grundlegenden Dummheit der handelnden Personen, sondern in der Regel eher pragmatischer Unachtsamkeit im Alltagsbetrieb. Auch diese Dinge sind jedoch gefährlich und können zu "Setzungsrissen" am gemeinsamen Vorhaben führen. Exemplarisch möchte ich hier den Fall unseres Spielführers Nils Pfingsten-Reddig anführen. Hier war seit geraumen Wochen etwas aus dem Lot geraten, was sich, flankiert durch externe Begleitmusik, schon ein wenig wie eine Laufmasche durch das soziale Gewebe des Vereins zog. Im Ergebnis führte die Sache schließlich dazu, dass der Abschied des Rekordspielers der Liga und dessen Verdienste um den RWE, durch die sich notwendigerweise hinziehenden Planungen, sehr unglücklich verlief. In dieser Angelegenheit haben sich alle am Ende zweifelsfrei "verdribbelt". Das war bedauerlich und der Verein will dieses Malheur gerne beheben. Ich hoffe daher, dass dieser sympathische Spieler unserer Einladung folgen wird, ihm im Juli noch gebührend zu danken und ihn angemessen zu verabschieden.

Doch all diese zuvor beschriebenen "Umstände" geschehen im Fußball leider immer mal wieder. Solange sie der Idee nicht das Licht ausblasen, kann man manches verschmerzen. Andernfalls ist der Ofen schnell aus. Ich möchte Sie daher darum bitten dem guten Willen und der gestalterischen Kraft des für den RWE handelnden Personals auch weiterhin ihr Vertrauen zu schenken. Der sportliche Plan ist diesmal zwar nicht ganz aufgegangen, aber wir werden uns bemühen den sicheren Tritt beim geplanten Anstieg ins Hochgebirge der DFL nicht aus den Augen zu verlieren. Das schreibe ich nicht, weil es sich bei Alfred Hörtnagl und Walter Kogler, die die Hauptlast der sportlichen Verantwortung tragen, um Leute handelt, die alpines Terrain gewohnt sind. Sie haben sich vielmehr in vielen erfolgreichen Jahren die Welt des Fußballs von allen Seiten her erschlossen und übersichtlich gemacht. Ihr Wissen und ihr Erfahrungsschatz können dem Projekt in den kommenden Monaten weitere Kontur verleihen. In diesen Tagen haben sie wieder Spieler für Erfurt gewinnen können, die zu manchen Hoffnungen Anlass geben. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch jemand kommt.

Nicht nur das Team auf dem Rasen und auf der Geschäftsstelle feilt weiter an seiner handwerklichen und geistigen Geschmeidigkeit. Auch das Präsidium und der Aufsichtsrat stellen sich für unser Ziel neu auf. Alen Cevra, bisher Aufsichtsratvorsitzender, wechselt in den Vorstand und mit Dr. Kästner und dem Unternehmensberater Stephan Ellenbeck bereichern künftig noch zwei gut vernetzte und dem RWE sehr verbundene Männer den Aufsichtsrat. Und weitere Veränderungen sind nicht ausgeschlossen. In diesem Sinne darf ich hoffen, dass nach einer erneuten Bewusstseinsschärfung auf allen Ebenen bis zum Vereinsjubiläum eine aufstiegsreife Mannschaft entsteht. Unser GPS funktioniert jedenfalls noch. Die Satellitenverbindung war allenfalls zeitweilig gestört. Wir navigieren weiter auf das proklamierte Ziel hin. Am besten mit Ihnen allen an unserer Seite. Versprechen kann niemand etwas, denn auch wir sind keine Propheten. Aber wir alle wollen gerne in die zweite Liga. Bitte ziehen sie mit an diesem Strang. Zuversichtlich und mit der Idee und dem Glauben im Herzen, dass dies nicht unmöglich ist.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Pfingstfest und eine spannende Weltmeisterschaft !

Mit den besten Grüßen
Wilfried Mohren

06.06.2014 \ Mohrens Einwurf