​Liga gehalten, Arena bewilligt, Pokal vergeigt. Was soll man davon halten? Wie soll man das bewerten?

Liga gehalten, Arena bewilligt, Pokal vergeigt. Was soll man davon halten? Wie soll man das bewerten? Die Einordnung fällt - zumal "the day after" - nicht leicht, denn das Erlebnis des gestrigen Abends klingt nach und trübt den Gesamteindruck beträchtlich. Ich möchte aber gleichwohl bei den positiven Aspekten anfangen.

Nach einem desaströsen Saisonauftakt und der Demission von Stefan Emmerling übernahm Alois Schwartz im letzten September das Ruder. Er hat bei seinem Amtsantritt schnell festgestellt, wo die Probleme dieser Mannschaft lagen. Sie waren erheblich und lassen sich im Wesentlichen in zwei Bereiche gliedern: Fußballerische Limitiertheit und mangelnder Teamgeist! Schwartz entschied sich bei seiner emsigen Aufräumarbeit richtigerweise zunächst dem zweiten Aspekt sein Hauptaugenmerk zu widmen, weil hier am ehesten kurzfristiger Erfolg möglich erschien. Und in der Tat, vollzog die Mannschaft bald eine beeindruckende Metamorphose. Möglich wurde der Wandel, weil Alois Schwartz einen anhaltenden Dialog mit allen Spielern unterhielt. Dadurch stärkte er das (Selbst-)Vertrauen und schuf schließlich eine echte Gemeinschaft. Daneben arbeitete er noch mit Erfolg an der Fitness. Die Grenzen der fußballerischen Möglichkeiten dieser Mannschaft konnte er aber in der Kürze der Zeit, auch der mangelhaften Trainingsbedingungen in diesem Winter wegen, kaum nach oben verschieben. So wurde der Klassenerhalt im Ergebnis über solidarischen Eifer, oft begünstigt durch glückliche Fügungen, aber selten durch die Schönheit eines Vortrags, erzwungen. Das überragende Verdienst des Trainers Alois Schwartz liegt also darin, dass er mit großen psychologischen Geschick die ästhetischen Mängel oftmals wegretuschiern und das Bild dieser Mannschaft in der Innen- und Außenwahrnehmung positiv verändern konnte. Dadurch hat er allen Rot-Weißen bis zum feststehenden Klassenerhalt eine anfänglich graue in eine grüne Zeit umgefärbt. Das verdient hohe Anerkennung.

Mit diesem Bild wären wir auch alle gerne in die Sommerpause gegangen. Wissend darum, dass der nächste Trainer eine Mannschaft mit Teamgeist übernehmen und sich künftig vermehrt den Themenfeldern Technik und Taktik widmen könnte. Der Verbesserung der Laufwege, des Umkehrspiels, der Effektivität beim Abschluss beispielsweise. Alles Gebiete auf denen wir zweifelsfrei noch wachsen können.

Doch dann kam der gestrige Abend. Im Thüringer Pokalfinale gegen eine Mannschaft aus der 6.(!) Liga, deren Amateurspieler lediglich an drei Tagen pro Woche abends nach der Arbeit trainieren, bezogen wir eine ebenso verdiente wie denkwürdige Niederlage, die mit dem Wort "Blamage" eigentlich noch zu harmlos umschrieben ist. Dabei ist es unerheblich, dass im Jenaer Stadion auf und neben dem Rasen Gift und Galle versprüht wurde und dass sogar Balljungen zeitweise ihren Dienst verweigerten.

Die erste Ironie dieser Niederlage liegt darin, dass der SV Schott Jena uns genau mit den Tugenden besiegte, mittels der wir uns selbst so oft in der Meisterschaft ins Ziel retteten und letztlich die Regionalliga ersparten: Einfaches, schnörkelloses Spiel, leidenschaftlicher Kampf, Wille zum Sieg, Teamgeist. That`s it!

Die zweite Ironie ist, dass Alois Schwartz sicher ungewollt aber wohl etwas fahrlässig selbst die Vorlage für diese Niederlage lieferte. Durch das vorzeitige öffentliche Bekanntwerden seines Wechsels nach Sandhausen entstand nämlich eine seismographisch zunächst kaum spürbare , aber dann anwachsende Unruhe. Ich kann nachvollziehen, wenn man einen erfolgreichen Trainer aus Dankbarkeit für seine Leistung und auf dessen eigenen Wunsch hin aus einem bestehenden Vertrag "heimwärts" ziehen lässt. Ich könnte auch noch nachvollziehen, wenn Alois Schwartz sich zur Absicherung des angebotenen Jobs beim SV Sandhausen irgendwo mit den Vertretern unseres künftigen Ligakonkurrenten getroffen und sich dort, aber zunächst mit aller Diskretion, das vertragliche "Ja-Wort" gegeben hätte. Der Wechsel nach Sandhausen wurde aber nicht geheim gehalten, sondern auf einer Pressekonferenz in Sandhausen seine Vorstellung öffentlich vollzogen, obwohl für uns noch dieses unter vielen denkbaren Aspekten so wichtige Endspiel bevorstand. Das will mir nicht recht eingehen. Es wäre für die kulante Haltung des FC Rot-Weiß, den Trainer gegen die eigentliche Vertragslage ziehen zu lassen, das mindeste Entgegenkommen gewesen, diese Präsentation noch eine Woche hinauszuzögern.

So kam es, wie es kommen musste. Ein Dominostein nach dem anderen fiel um. Die Pressekonferenz von Sandhausen gab das Zeichen an unsere, vom Wechsel des Trainers überraschten Spieler: "Der Kapitän geht von Bord". Daran knüpften sich Fragen und psychologische Konsequenzen, zu deren Besprechung im Vorfeld des Endspiels keine Zeit blieb. Die aber wäre erforderlich gewesen, denn die Spieler mochten den Trainer....und, das ist die dritte Ironie, haben ihn, irritiert von einer Entwicklung, die er selbst angestoßen hatte, in den letzten 90 gemeinsamen Pflichtspielminuten, ebenso ungewollt im Stich gelassen. In dem Moment, da er seine bis dahin erfolgreiche Mission hätte krönen können, schlug die Ironie des Schicksals ein letztes Mal zu und die Psychologie des Psychologen griff nicht mehr. So wurde der wundersame gemeinsame Kraftakt dieser Saison, die Freude über den Klassenerhalt, am Ende noch dunkel überschattet. Das hat Ansehen und eine Menge Geld gekostet.

W.M.

23.05.2013 \ Mohrens Einwurf